Viele Menschen verhandeln angeblich mehr als einmal pro Stunde. Verhandlungen sind so alltäglich, dass uns Zeitpunkt und Inhalt oft nicht immer bewusst sind. Und der Erfolg bei Verhandlungen soll sich angeblich auf das gesamte Geschäfts- und Privatleben auswirken.
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Kann man richtig Verhandeln lernen?
Dass die häufige Verhandlungspraxis und die damit gewonnene Erfahrung zu immer besseren Ergebnissen führen solle, ist eine Annahme, die sich laut Untersuchungen nicht bestätigt habe. Man sollte daher die Frage stellen, ob man richtiges Verhandeln erlernen könne.
Ich bin überzeugt, dass das Aneignen verschiedener Kommunikationstechniken, die Reflexion über die eigene Konfliktfähigkeit und die Beschäftigung mit Verhandlungsmethoden jedenfalls nicht schaden kann.
„Die Kunst des Verhandelns liegt in der Natur eines selbstbewussten Verhaltens, immer nach positiven, konstruktiven Ergebnissen zu streben.“
Paul Wilson
Ich habe ein paar Gedankenanregungen zur Verhandlungsführung zusammengetragen und sollen diese als Gedanken-Impulse dienen:
Die Phasen der Verhandlungsführung:
- Vorbereitung
- Interessensbekundung
- Güterabwägung
- Gewichtung
- Kompromissfindung
- Abschluss
- Nachbereitung
Wie unterscheiden sich Verhandlungen von Diskussionen?
Verhandlung
– „Handel“ geprägt von Leistung/Gegenleistung
– Eigene Interessen durchsetzen, Vorteil erhoffen
– Standpunkte vertreten, überzeugen
– überreden, verkaufen
– Erreichen einer Übereinkunft, Interessenausgleich
– Lösungen finden, Kompromisse erzielen, Zugeständnisse
Diskussion
– Sachfragen klären
– Probleme in Teile zerlegen
– Richtig von Falsch trennen
– Präzisierung
– Unterschiede erkennen
– Annahmen verteidigen
Einen Vergleich von Diskussion und Dialog finden Sie in meinem Beitrag „Wer glaubwürdig sein will, muss den ständigen Dialog suchen“ http://www.sparringpartners.at/wp/?p=52
„Selbstbewusstes Auftreten hat nichts mit lauter Stimme, dominierender Persönlichkeit oder Unverblümtheit zu tun. Es ist die Entschlossenheit, bestimmt Ziele, die für einen wichtig sind, erreichen zu wollen und zu der Entscheidung zu stehen.“
Folgende Überlegungen vor einer Verhandlung stellen sich oftmals als hilfreich heraus:
Festlegung von Zielen
- Maximalziel festlegen (was möchte ich erreichen)
- Minimalziel festlegen (was muss ich mindestens erreichen um die Verhandlung fortführen zu können – „walk away position“)
- Verhandlungsziel mit den Unternehmenszielen bzw. der Gesamtstrategie abgleichen.
- Ziele positiv und zukunftsorientiert formulieren.
- Ziele nie in der Verhandlung kommunizieren!
Achtung: Ziele stehen immer über den Einzel-Strategien und Taktiken!
Machen Sie sich Gedanken über folgende Aktionen:
Salami-Taktik – Forderungen oder Angebote kleinweise im Laufe der Verhandlung aussprechen?
Starten oder Warten mit einem Angebot?
Hohes oder niederes Angebot?
Wer fragt, der führt.
Zugeständnisse und Kompromisse – in der Mitte Treffen?
Die Analyse des Verhandlungspartners
Grundsätzlich hat sich die Analyse des Gegenübers immer als nützlich erwiesen.
Die folgenden Überlegungen können angestellt werden:
- Welchen Wert hat die Beziehung? Ist es eine einmalige Verhandlung oder eine längere Partnerschaft?
- Ist die Verhandlung ein „Endspiel“ oder gibt es eine zweite Gelegenheit?
- Welche früheren Erfahrungen wurden gemacht?
- Einzelperson oder Verhandlungsteam?
- Entscheidet mein Gegenüber oder andere?
- Welche Rolle nimmt mein Verhandlungspartner/einzelne Teilnehmer im Verhandlungsteam im System ein?
- Gibt es Gruppennormen? „Unsichtbare“ Interessengruppen oder Teilnehmer im System des Verhandlungspartners?
- Überlegen Sie, wer ist ein: Schweiger, Entscheider, Graue Eminenzen, der unsichtbare Chef?
- Wie ist der Verhandlungspartner einzuschätzen: Pragmatiker, Emotionaler Verhandlungsführer, Umsetzer, Zauderer? Angriffstyp, Fluchttyp?
Worüber will mein Verhandlungspartner verhandeln?
Will er das, was er gesagt hat? Oder gibt es eine mögliche Hidden Agenda?
Welche ist die wahre Motivation? Was treibt ihn an? Wie ernsthaft sind seine Absichten?
Was sind die Ziele, Strategien und Taktiken des Verhandlungspartners?
„Niemand meint alles was er sagt und sehr wenige sagen alles was sie meinen.“
Welche ist die beste Verhandlungs-Strategie?
„Es gibt keine beste Strategie. Eine erfolgreiche Strategie hängt immer von der Strategie des oder der Verhandlungspartner ab.“ – Axelrod
Hier finden sich ein paar der bekanntesten Strategien:
Tit-for-Tat Theorie
Diese wurde von R. Axelrod am idealisierten Experiment zum Gefangenendilemma entwickelt und präferiert die kooperative Verhandlungstaktik: beide Verhandlungspartner kooperieren in der ersten Runde. Danach wird das vom Gegner in der vorherigen Runde angewendete Verhalten jeweils imitiert. Schwächen der Strategie zeigen sich, wenn in der Praxis auf Grund von Missverständnissen es zu wechselseitigem kompetitiven Verhalten kommt.
Eine erfolgreiche Strategie nach Axelrod ist:
- vom Gegner durchschaubar,
- immer zuerst kooperativ,
- provozierbar, da nicht kooperatives Verhalten des Gegners unmittelbar bestraft wird,
- nachsichtig, da nach einmaliger Vergeltung Kooperation wieder aufgenommen wird.
Das Experiment zum Gefangenendilemma:
Zwei Gefangene, die das Verhalten des Anderen nicht kennen, werden vor folgende Optionen gestellt: Gesteht einer die Tat, wird er freigelassen (bestes Ergebnis), während der andere Gefangene die Höchststrafe (schlechtestes Ergebnis) erhält. Gestehen beide nicht, werden beide mit der Mindesthaftstrafe belegt (gutes Ergebnis). Gestehen dagegen beide, erhalten sie eine höhere Strafe, als die mindeste, aber eine geringere als die höchstmögliche Strafe (mittleres Ergebnis).
Verhandlungstaktik | Partei A | ||
kooperativ | kompetitiv | ||
Partei B |
kooperativ | Gutes | Bestes für A
(Schlechtestes |
kompetitiv | Bestes für B
(Schlechtestes |
Mittleres | |
Verhandlungsergebnis |
Strategie nach Harvard„Win – Win“
Über diese Strategie ist schon viel geschrieben worden, sodass ich hier nur die Grundprinzipien aufzähle, um diese in Erinnerung zu rufen:
Prinzip 1: Menschen und Probleme getrennt behandeln
Prinzip 2: Interessen statt Positionen einnehmen
Prinzip 3: Handlungsoptionen zu beiderseitigen Vorteil
Prinzip 4: Anwendung neutraler Beurteilungskriterien
Integrative Verhandlungsstrategie
Über die 4 Basis-Strategien nach Lewicki, Barry & Saunders ist ebenfalls im Internet viel zu finden und empfehle ich eine Auseinandersetzung mit diesen. Diese soll eine Weiterentwicklung der Harvard-Strategie sein.
„Lose to Win“ Anpassung |
„Win – Win“ Integrativ |
Lose? Vermeidung |
„Win – Lose“ Distributiv |
Einen interessanten Ansatz liefert auch die Strategie nach Matthias Schranner
Er ist der Ansicht, „Win – Win“ gäbe es nicht! Erfolg spiele sich nur im Kopf ab. Seine beste Strategie sei der Vorsatz (Wissen und Wollen), zu gewinnen. Schranner meint, dass es Ziel sei, im Gegenüber die Gewissheit zu erzeugen, dass er gewonnen habe. Die Gewissheit, nicht jedoch die Wahrheit.
„Es geht nicht um die Wiederholung einiger einstudierter Redewendungen. Erfolgsrelevant ist die Kraft des eigenen Denkens und die Kraft der Persönlichkeit!
Mit innerer Gelassenheit Kritik entgegen nehmen zu können, zuhören zu können, in positiver Weise Nein sagen zu können, führt zu Souveränität, die das Gegenüber spürt.“
Gloria Goldini