Das Konzept einer gewaltfreien Kommunikation – lesen Sie mehr..
Marshall B. Rosenberg (US-amerikanischer Psychologe 1934 – 2015) hat ein Konzept für einen Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess entwickelt, die sog. gewaltfreie Kommunikation (GfK).
Rosenberg bezeichnet diese Sprache als „Giraffen-Sprache“ im Gegensatz zu der „Wolfs-Sprache“.
Er hat diese Methodik erfolgreich beispielsweise im Umgang mit Jugend-Straßengangs in den USA, bei Paar-Therapien und bei großen Konflikten wie zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt. Die Giraffensprache ist die Sprache des Herzens, Giraffen haben in der Tierwelt das größte Herz um das Blut durch den langen Hals in den Kopf zu pumpen und das Hirn versorgen zu können.
Grundgerüst in der GfK ist das 4-Schritte-Modell. Es dient als Leitfaden, um die wichtigsten Elemente einer förderlichen Kommunikation zu lernen ohne jede Art der verbalen Manipulation, Bewertung oder Vorwurf. Bei der GfK sollen Gefühle und Bedürfnisse gehört und ausgedrückt werden dürfen. Es dient als „Gerüst“ zur inneren Haltung einer Sprache und Hörens des Herzens.
Die GfK kann für die Selbsteinfühlung und für die Einfühlung in den Anderen verwendet werden. Hier das 4-Schitte-Modell:
- Beschreibung
- Gefühl
- Bedürfnis
- Bitte/Frage
1. Beschreibung der Situation, Auslöser, Beobachtung ohne Bewertung und Interpretation
Wenn ich sehe/höre/erlebe…. |
1. Beschreibung der Situation, Auslöser, Beobachtung ohne Bewertung und Interpretation
Wenn Du siehst/hörst/wahrnimmst…. |
2. Gefühl (unterscheiden zwischen Gefühl und Gedanke)
…dann fühle ich mich… |
2. Gefühl (Annahme, wie sich mein Gesprächspartner fühlen könnte)
…fühlst du dich dann… |
3. Bedürfnis (unterscheiden zwischen Wunsch und Bedürfnis)
…weil ich bräuchte… |
3. Bedürfnis (Annahme, was das unerfüllte Bedürfnis sein könnte)
…weil du bräuchtest… |
4. Bitte / Frage (unterscheiden zwischen Bitte und Forderung)
…deshalb bitte ich dich… |
4. Bitte / Frage (herausfinden von konkret machbarer Bitte)
…und möchtest du gerne… |
Ergänzend noch einige Grundannahmen die von Rosenberg getroffen werden: Niemand könne Gefühle machen. Was andere sagen oder tun, mag Auslöser für unsere Gefühle sein, sei aber nie die Ursache.
Verantwortlich für das Gefühl sei man immer selbst.
Es gibt nur drei Arten von Gefühlen: positive, negative und neutrale Gefühle. Negative Gefühle entstehen laut Rosenberg immer auf Grund der mangelnden Befriedigung von Bedürfnissen. Diesen eigenen Bedürfnissen oder jenen des Gegenübers auf den Grund zu gehen ist zentrale Aufgabe in der gewaltfreien Kommunikation. Auch die Reflexion über das Entstehen gerade dieser Bedürfnisse und deren Herkunft lohne sich. Wenn Bedürfnisse ausgesprochen werden, dann steige die Chance, dass sie erfüllt werden. Beispielhaft: Ärger sei ein Sekundärgefühl, das der Vermeidung eines anderen Gefühls, z.B. Hilflosigkeit oder Ohnmacht diene. Es entstehe durch bewertendes Denken von falsch und richtig, bei dem wir die Schuld auf den Anderen projizieren. Urteile über andere seien entfremdete Äußerungen unserer eigenen, unerfüllten Bedürfnisse.
Hier die 9 Bedürfnisgruppen nach Rosenberg:
- Bedürfnis nach körperlicher Nahrung (inklusive körperliches Wohlbefinden wie Schutz und Unterkunft)
- Bedürfnis nach Sicherheit
- Bedürfnis nach Verständnis (Empathie)
- Bedürfnis nach Kreativität
- Bedürfnis nach Liebe (bzw. Intimität)
- Bedürfnis nach Spiel
- Bedürfnis nach Erholung
- Bedürfnis nach Autonomie
- Bedürfnis nach Sinn, Spiritualität
Zur Erinnerung schließe ich noch die allbekannte Bedürfnispyramide nach Maslow an:
- Stufe: Grund- und Basisbedürfnisse (Überleben, Atmung, Stoffwechsel, Berührung…)
- Stufe: Sicherheitsbedürfnis (wissen wollen, wer man ist, wie man sich verhalten soll, was man weiß, Zukunftsaussichten…)
- Stufe: Soziale Bedürfnisse (Bedürfnis nach Kommunikation, exklusiven Gruppen anzugehören, Geborgenheit in der Gruppe finden…)
- Stufe: Anerkennung, Status, Macht und Geltung
- Stufe: Selbstverwirklichung
Ich kann das Buch “Konflikte lösen durch gewaltfreie Kommunikation: Ein Gespräch mit Gabriele Seils“ (Marshall B. Rosenberg, Herder Verlag) nur wärmstens empfehlen. Ein dünnes Buch, das rasch gelesen ist und viele wertvolle Einsichten bringt.
Hier ein köstliches Video, in dem Rosenberg Giraffe und Wolf über die Frage „Do you love me?“ sprechen lässt und Erklärungen über die Liebe als Gefühl und Bedürfnis abgibt: https://www.youtube.com/watch?v=elOHUpy1Ppo
Hier noch im Anschluss noch ein paar Empfehlungen für eine hilfreiche Gesprächsführung, die ich in den letzten Jahren kennengelernt habe. Ob diese für die jeweilige Situation passend erscheinen, muss jeder selbst entscheiden:
Die Technik der Paraphrasierung
Als Paraphrasierung wird in der Kommunikationstheorie die sachliche Wiederholung einer empfangenen Botschaft mit den eigenen Worten verstanden. Konkret ist die Paraphrasierung die Wiederholung der Botschaft mit der Bitte um Bestätigung. Die emotionalen Anteile werden vorher entfernt, um den sachlichen Anteil hervorzuheben.
Diese Kommunikationstechnik geht auf die Rhetorikausbildung im antiken Griechenland zurück. Im streng geregelten Disput war es an der Hochschule der Sprachen verboten, auf ein Argument, eine Hypothese oder eine Prämisse zu antworten, ohne vorher den fremden Standpunkt dem Sinn und der Intention nach mit eigenen Worten sachlich richtig wiederzugeben.
Wichtige Punkte der Paraphrasierung:
– Wortwahl mittels synonymer Begriffe (es geht nicht darum, das Gesagte einfach zu wiederholen)
– Formulierung ohne den Inhalt zu verfälschen
– Die Paraphrase muss mit dem übereinstimmen, was der Gesprächspartner tatsächlich zum Ausdruck bringen wollte
– Wiederholung ohne Wertung
– Großer Wortschatz und hohe Emotionale Intelligenz sind dabei hilfreich
Zum Beispiel:
„Das bedeutet, dass…“, „Das zeigt mir, dass…“, „Das verstehe ich so…“, „Heißt das also…“, „Habe ich Sie richtig verstanden, dass Ihnen besonders wichtig ist….?“
Aktives Zuhören
In der Gesprächsführung gibt es sogenannte Kommunikationssperren, die hinderlich für eine Gesprächsführung sind. Nach Thomas Gordon gibt es 12 Arten von „Kommunikationsperren“, die das Risiko in sich bergen, sich negativ auf ein Gespräch auszuwirken, besonders wenn es unter Stress stattfindet. Diese Kommunikationssperren sind davon geprägt, den Gesprächspartner nicht zu akzeptieren, sondern zu verändern.
Als Lösung aus einer destruktiven Gesprächssituation sieht Thomas Gordon das „aktive Zuhören“.
Kommunikationssperren nach Gordon sind:
- Befehlen, Anordnen, Auffordern
- Warnen, Mahnen, Drohen
- Moralisieren, Predigen, Beschwören
- Beraten, Vorschläge machen, Lösungen liefern
- (Ver)Urteilen, Kritisieren, Widersprechen, Vorwürfe machen, Beschuldigen
- Belehren, durch Logik begründen
- Loben, Zustimmen, Schmeicheln
- Beschämen, Beschimpfen, Lächerlich machen
- Interpretieren, Analysieren, Diagnostizieren
- Beruhigen, Sympathie äußern, Trösten, Aufrichten
- Nachforschen, Fragen, Verhören
- Ablenken, Ausweichen, Aufziehen
Äußerung von konstruktiver Kritik nach der Sandwich-Methode:
Es wird immer wieder Situationen im Alltag von z.B. Führungskräften, Trainern, Eltern geben, in denen eine kritische Evaluation angestellt und kommuniziert werden muss, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Kritik wird oft als negativ behaftet wahrgenommen, daher sollten Bemühungen zu konstruktiver Kritikäußerung stattfinden. Eine Möglichkeit ist die sogenannte „Sandwich-Methode“.
Ein positives Statement
Zukunftsorientierte Anweisung
Ein Kompliment
Bei konstruktiver Kritik sollte folgender Zugang beachtet werden:
– positive Einstellung, das Gute und nicht das Falsche betrachten
– ehrliches, direktes und konstruktives Feedback
– Vermeidung von Sarkasmus
– keinen „Honig um den Mund schmieren“
– eine Sprache wählen, die Lösungen und nicht Probleme sucht
Es gibt sicher noch weitere hilfreiche Tipps und Empfehlungen für eine gewaltfreie Kommunikation. Jedenfalls sollte jeder von der gewaltfreien Kommunikation gehört und diese zumindest auch ausprobiert haben.